
Diese Folge bietet eine tiefgreifende Dekonstruktion des Grimm’schen Märchens „Hans im Glück“ durch die organisationstheoretische Brille. Gunter, Winald und Falk verwandeln dabei eine scheinbar harmlose Kindergeschichte in eine Gesellschafts- und Systemkritik.
Hans, der nach sieben Jahren harter Arbeit einen Goldklumpen als Lohn erhält, wird zum unfreiwilligen Protagonisten einer kapitalismuskritischen Parabel. Seine Reise beginnt mit materiellem Reichtum und führt durch eine Kette von Tauschgeschäften – Gold gegen Pferd, Pferd gegen Kuh, Kuh gegen Schwein, Schwein gegen Gans, Gans gegen Schleifstein – bis hin zur völligen Besitzlosigkeit, als der Stein schließlich in den Brunnen fällt. Das Paradoxe: Mit jedem materiellen Verlust wächst Hans‘ subjektives Glücksgefühl.
Die Gesprächspartner entschlüsseln diese scheinbar simple Geschichte als vielschichtige Kritik an der kapitalistischen Verwertungslogik. Sie zeigen auf, wie das Märchen die Grundannahmen unseres Wirtschaftssystems fundamental in Frage stellt: die Gleichsetzung von materiellem Besitz mit Erfolg, die Fixierung auf permanentes Wachstum und die Vorstellung, dass Glück durch Akkumulation erreicht werden kann.
Ein zentraler Bezugspunkt der Diskussion ist Theodor W. Adornos berühmter Ausspruch „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“. Die Gesprächspartner interpretieren Hans‘ Geschichte als praktische Umsetzung dieser Erkenntnis: Hans findet einen Weg, trotz der „falschen“ gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ein „richtiges“ Leben zu führen, indem er sich konsequent von der Verwertungslogik befreit.
Die Folge entwickelt eine mehrdimensionale Kritik moderner Organisationen und deren Wachstumsimperativ. Hans‘ Verhalten wird als Gegenentwurf zu typischen Unternehmensstrategien gedeutet: Während Organisationen nach Effizienzsteigerung, Gewinnmaximierung und Expansion streben, praktiziert Hans bewussten Verzicht und Entschleunigung. Seine „unökonomischen“ Entscheidungen entlarven die Absurdität eines Systems, das Glück ausschließlich an materielle Erfolge koppelt.
Besonders faszinierend ist die Interpretation von Hans‘ finalem Akt: Das Wegwerfen des Schleifsteins wird als symbolische Befreiung von der Last der Leistungsgesellschaft gedeutet. Hans erkennt, dass der Stein – wie zuvor alle anderen Besitztümer – ihn nur beschwert, anstatt ihm zu helfen. Diese Erkenntnis steht in krassem Gegensatz zu organisationalen Strategien, die auf Ressourcenakkumulation und Kapitalaufbau ausgerichtet sind.
Im Gespräch wird die provokante These entwickelt, dass Märchen als alternative Form der Organisationsberatung fungieren können. Im Gegensatz zu klassischen Management-Methoden, die oft Komplexität erhöhen, bietet das Märchen einfache, aber radikale Lösungsansätze und bieten auf diesem Weg genügend Variablität. Hans wird zum Anti-Coach, der nicht optimiert, sondern reduziert, nicht aufbaut, sondern abbaut.
Eingebettet ist auch eine psychologische Interpretation nach Erich Fromm: Hans‘ Glück entspringt nicht der Anhäufung von Besitz („Haben“), sondern der Rückkehr zu seinem authentischen Sein. Seine Heimreise zur Mutter symbolisiert die Überwindung der Entfremdung, die durch die kapitalistische Arbeitsorganisation entstanden ist.
Die Diskussion mündet in grundsätzliche Fragen zur Zukunft der Arbeitswelt: Ist permanentes Wachstum überhaupt nachhaltig? Können Organisationen bewusst schrumpfen und dabei erfolgreicher werden? Wie sähe eine Post-Wachstums-Ökonomie aus, die Hans‘ Prinzipien folgt?
Themen der Folge:
• Hans im Glück als organisationstheoretische Parabel
• Kapitalismuskritik durch Märchen-Dekonstruktion
• Die Problematik ständigen Wachstums in Organisationen
• Alternative Geschäftsmodelle jenseits der Profitmaximierung
• Glück vs. Besitz in der Arbeitswelt
• Warum weniger manchmal mehr ist
• “Es gibt kein richtiges Leben im falschen” (Theodor W. Adorno)
• Kapitalistische Verwertungslogik
• Nachhaltiges vs. exponentielles Wachstum
• Organisationale Glücksforschung
Gunter findet man hier: https://www.linkedin.com/in/gmarczinke/
Winald nach wie vor hier: https://www.linkedin.com/in/winald/
Falk auch immer noch hier: https://www.linkedin.com/in/falkengelmann/